1. Der Weg von der klassischen IT zur Public Cloud.

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29.07.2022
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7 min Lesedauer
Warum reden so viele über die Cloud?

Cloud ist erst einmal ein riesiger Wachstumsmarkt. Allein der Teilmarkt „Public Cloud“ wächst seit Jahren um mehr als 30% pro Jahr und erreichte im Jahr 2020 eine Gesamtgröße von 236 Mrd. US$. Der größte einzelne Akteur – Amazon Web Services (AWS) – wuchs jahrelang mehr als 40% pro Jahr. AWS erwirtschaftete 2020 einen Profit von 13,5 Milliarden US$ (Quelle). Der nächstgrößte Akteur – Microsoft – wächst in einer ähnlichen Größenordnung mit einer ähnlich hohen Profitabilität. Auch die spezialisierten Cloud-Anbieter Shopify (E-Commerce) und Salesforce (Sales-Systeme) wachsen gleichermaßen.

Was ist die Cloud?

Es gibt viele Definitionen von Cloud. Google zeigt eine Vielzahl davon an. Die aus unserer Sicht hilfreichste Erklärung ist:

Cloud ist automatisierte IT

Cloud ist die Möglichkeit, IT selbst zu bestellen (über eine einfache Benutzeroberfläche oder über eine Programmierschnittstelle), diese automatisiert geliefert und abgerechnet zu bekommen.

cloudahead Grafik Automatisierte IT

Aber ist nicht IT immer irgendwie automatisch? Nein. Der geschilderte Prozess von Bestellung, Lieferung und Abrechnung ist in der klassischen IT sehr manuell. 

Die Bestellung erfolgt in der klassischen IT in der Regel bei einem Vertriebsmitarbeiter. Dieser nimmt den allgemeinen Kundenwunsch auf und leitet diesen manuell beim IT-Dienstleister weiter. Dort nimmt sich dann ein technischer Spezialist dieses Wunsches an. Es beginnt ein mitunter langer Dialog mit dem Kunden und dessen technischen Mitarbeitern über die genaue Art der Bestellung: Für welche Anwendung wird die IT benötigt, welche Komponenten sind in welcher Kombination nötig und möglich. Nach erfolgter Kalkulation nimmt der technische Mitarbeiter die Stückliste mit zu einem weiteren Kollegen, welcher den Preis dazu ausrechnet. Nach erfolgter Abstimmung mit den Vorgesetzten und ggf. weiteren technischen Kollegen erstellt der zu Beginn involvierte Vertriebsmitarbeiter ein Angebot. Dieses wird wiederum rechtlich geprüft und im eigenen CRM-System dokumentiert. Danach erfolgt der Versand an den Interessenten. Meistens ist dies dann der Beginn eines aufwendigen Verhandlungsprozesses, der wiederum mehrere Runden aus Abstimmungen mit internen und externen Experten jeglicher Couleur nehmen kann.

Welche Varianten der Cloud gibt es?

Cloud gibt es in vielen Varianten. Die drei wichtigsten Kategorien sind:

  • Automatisierungsgrad der IT-Wertschöpfung: Infrastructure-as-a-Service (IaaS), Platform-as-a-Service (PaaS) und Software-as-a-Service (SaaS) sind die wichtigsten Stufen der Automatisierung.
  • Grad der öffentlichen Verfügbarkeit der Services: Private und Public Cloud sowie die Mischform Hybrid Cloud.
  • Fachlichen Anwendungszweck der Services: Sales-, Marketing- und Commerce-Clouds sowie Clouds für Arbeitsplatzsoftware.
Cloud-Begriffe nach IT-Wertschöpfung

Die IT-Wertschöpfungskette (der sogenannte „Stack“) beginnt auf der Ebene der IT-Infrastruktur. Wenn die dort enthaltenen Ebenen Netzwerk, Speicher, Rechenleistung und Virtualisierung automatisch bestell-, liefer- und abrechenbar sind, werden diese Leistungen „Infrastructure-as-a-Service (IaaS)“ genannt.

Sind zudem weitere Ebenen der Middleware wie Betriebssystem, Datenbanken, Runtimes&Libraries und Security&Integration automatisiert, wird der Begriff „Platform-as-a-Service (PaaS)" verwendet. Die meist genutzten dieser PaaS sind Datenbanken und Webserver. Für den Laien gut erklärbar aber ist der PaaS der Firma Deepl (DeepL API): Hier kann jedes Unternehmen seine Anwendungen an die Programmierschnittstelle (Application Programming Interface, Abk.: API) von Deepl anbinden und den Übersetzer unkompliziert und für den Endnutzer nicht erkennbar für die eigenen Zwecke einsetzen.

Wird zudem die eigentliche Applikation einschließlich der Benutzeroberfläche automatisiert bestell-, liefer- und abrechenbar, dann heißt der Service „Software-as-a-Service (SaaS)“. Beispiele hierfür sind Office365 und Doodle oder auch Plattformen wie Shopify und Salesforce.

cloudahead Grafik Übersicht IaaS, PaaS und SaaS

Cloud-Begriffe nach Grad der öffentlichen Verfügbarkeit

Sehr häufig werden Clouds danach unterschieden, für wen sie verfügbar sind. Private Clouds werden von der sie nutzenden Organisation selbst aufgebaut und sind lediglich für diese nutzbar. Sogenannte Hosted Private Clouds werden zwar von einem Hoster (Dienstleister) aufgebaut und betrieben, sind aber nur für den Auftraggeber nutzbar. Die Virtual Private Cloud baut ebenfalls ein Dienstleister auf, teilt aber einige Komponenten dieser Cloud mit weiteren seiner Kunden, nicht aber mit der allgemeinen Öffentlichkeit. Ein bekanntes Beispiel für eine Private Cloud ist jene von Bosch.

Die Public Cloud hingegen steht grundsätzlich allen Personen und Organisationen gleichermaßen offen. "Public" kennzeichnet hierbei den offenen Zugang zu den Cloud-Leistungen. Nicht gemeint ist, dass die Daten und Anwendungen öffentlich sind. Die Cloud-Provider sorgen mit Hilfe der sogenannten „Mandantentrennung“ dafür, dass jeder Kunde lediglich seine eigenen Daten und Anwendungen sieht. Beispiele für Public Clouds sind AWS und Azure.

Eine Hybrid Cloud gibt es im engeren Sinne nicht. Der Begriff wird genutzt um aufzuzeigen, dass eine Applikation für bestimmte Teile die Private Cloud nutzt (etwa für personenbezogene Daten) und für andere Teile (etwa die Benutzeroberfläche) die Public Cloud. Ein Beispiel für eine Hybrid Cloud ist jene von Accenture und Microsoft.

Wenngleich der Begriff sehr häufig verwendet wird, gibt es eine Multi-Cloud ebenfalls nicht. Er bezeichnet entweder eine Applikation, die mehrere Cloud-Services einbinden (etwa das o.g. Hybrid-Beispiel zuzüglich des Identitäts-Dienstes Okta und der Marketing-Cloud www.salesforce.de) oder alternativ die Strategie eines Unternehmens, mehrere seiner Anwendungen auf mehrere Cloud-Provider zu verteilen.

Cloud-Begriffe nach Anwendungszweck

Schließlich lassen sich Clouds nach ihrem Anwendungszweck unterscheiden. Salesforce bietet eine Marketing- und Sales-Cloud, Shopify eine Commerce-Cloud, VW eine Automotive Cloud und OSRAM eine Cloud für „smarte Lichtlösungen“.

Wieso ist die Cloud so revolutionär?

Der technische Laie bestellt selten einen Server, ein Netzwerk oder eine Datenbank. Hier helfen die folgenden beiden Analogien:

  • Die Spotify-Analogie: Die Cloud verhält sich zur klassischen IT wie Spotify zur CD. Die CD an sich ist schon digital wie auch eine Datenbank im klassischen Rechenzentrum. Um die CD allerdings zu erhalten, musste der Kunde in einen entsprechenden Laden gehen, die CD probehören, bezahlen, nach Hause tragen, öffnen und in den CD-Player einlegen. Auf Produzenten- und Vertriebsseite wiederum war erforderlich, die CD zu verpacken, an den Einzelhandel auszuliefern, sie dort wieder auszupacken, in die Regale zu sortieren, die Kunden zu beraten und den Kauf der CD an der Ladenkasse abzuwickeln. Mit dem Musik-Streaming ist nun der Prozess von der Bestellung über die Lieferung bis zur Abrechnung vollständig automatisiert. Kein Mitarbeiter von Spotify legt beim Abruf eines Streamingdienstes die Hand an.
  • Die Dampfmaschinen-Analogie: Die Cloud verhält sich zur klassischen IT wie die Textilmanufaktur des 18. Jahrhunderts zur Dampfmaschinen-getriebenen Textilfabrik.  Gab es in der Manufaktur noch viele spezialisierte, unproduktive Spezialisten (Spinner, Weber) mit wenigen, einfachen Maschinen und wenig Kapitaleinsatz, gibt es in der dampfmaschinen-getriebenen Textilfabrik komplexe, automatisierte Maschinen mit wenigen, hochproduktiven Mitarbeitern. Ähnlich verhält es sich bei der Cloud: Ein klassisches Rechenzentrum beschäftigt viele hundert Mitarbeiter in sehr vielen verschiedenen Expertenrollen mit geringem wirtschaftlichem Output. Ein Cloud-Rechenzentrum dagegen erbringt mit meist nur 10-20 Mitarbeitern einen um ein Vielfaches höheren Umsatz.
cloudahead Grafik Wbstuhl vs Dampfmaschine

Gerade die Analogie mit der Dampfmaschine gibt einen Eindruck von der Relevanz der Cloud. Dampfmaschine und industrielle Webstühle automatisierten die Textilherstellung, führten auf der einen Seite zu Arbeitslosigkeit und Aufständen, erhöhten aber auf der anderen Seite die Produktivität signifikant und legten damit die Basis für neuen Wohlstand.

Was sind die Kernvorteile der Cloud?

Die Kernvorteile der Cloud als Weiterentwicklung der traditionellen IT sind:

  1. Großer Katalog an Fertigteilen: Weil Cloud-Leistungen automatisiert bestellt, geliefert und abgerechnet werden können, entfällt der Faktor „Menschliche Beziehung“. Jeder IT-Anbieter kann seine Leistungen der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, ohne vorab in Vertriebsmitarbeiter und Auftragsabwickler investieren zu müssen. Für die IT-Kunden führt dies zu einer großen Auswahl direkt verfügbarer Services.
  2. Konsumierbar in sehr kleinen Einheiten: Benötigt ein klassischer IT-Anbieter 30 Stunden internen Aufwand zur Abwicklung von Bestellung, Lieferung und Abrechnung, wird dieser kaum sehr geringe Bestellmengen (Bsp.: 1GBs Rechenleistung für 0,000014 EUR) erlauben. Die vollständige Automatisierung der Bestellprozesse in der Cloud dagegen ermöglicht es den Hyperscalern, sehr attraktive „Pay-as-you-go“-Konditionen anzubieten.
  3. Bei Bedarf global skalierbar: Investiert ein Unternehmen in seine eigene private Cloud, muss es die Kosten für diese Investition vollständig alleine tragen: Gebäude, Kühlanlagen, Netzwerk, Server, Middleware, Personal. Es wird sich dafür genau überlegen, wie groß die Cloud wirklich sein muss. Erreicht genau das gleiche Unternehmen – etwa Nintendo mit Pokemon - dann überraschend einen globalen Erfolg, wird die Cloud in jedem Fall zu klein ausfallen. Die Hyperscaler dagegen sind schon global präsent, deren Kunden können mit vergleichsweise wenig Aufwand und ohne eigene Investitionen in Infrastruktur global expandieren.
  4. Synchronisation von Kosten und Nutzen möglich: Die meisten Services in der Cloud haben nutzungsbasierte Preismodelle. Werden mehr Nutzer, Transaktionen oder Ressourcen benötigt, entstehen mehr Kosten für den Kunden. Weiß dieser die nutzungsabhängigen Preismodelle für sich zu nutzen, kann er seine Applikationen und Geschäftsmodelle entsprechend ausrichten. Beispiel: Er kann selbst kostenfreie Testversionen seines eigenen Services anbieten in dem Wissen, dass – sollte der Kunde diese wirklich intensiv nutzen – er sehr schnell in ein kostenpflichtiges Angebot wechseln kann.
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