5. Wie werde ich als Nutzer von IT souverän?

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29.07.2022
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4 min Lesedauer
Macht eine souveräne Cloud ihre Kunden souverän?

Ein europäisches Digitalunternehmen kann mit eigenen Investitionen und viel Kompetenz durchaus ein hohes Grad an digitaler Souveränität erreichen. SAP beispielsweise vereint in seiner Wertschöpfung ein hohes Maß an Leistungsfähigkeit und Kontrolle. Rechenzentren werden selbst betrieben, Datenbank-Technologien (wie HANA) selbst entwickelt. Die Anwendungssoftware (SAP-R3) ist ebenfalls selbst entwickelt, für die notwendige Middleware können viele Open-Source-Softwares genutzt werden.

Ist dadurch aber der Kunde von SAP digital selbstbestimmt? Könnte er schnell und einfach die Warenwirtschaft austauschen, wenn SAP die Preise erhöhte? Könnte er problemlos auf eine andere Cloud ausweichen, wenn die Rechenzentren von SAP einem Feuer zum Opfer fielen? Können Kunden die Details der Leistungserbringung bei SAP mitbestimmen oder kontrollieren? Eher nicht.

Ein souveräner Cloud-Anbieter - auch ein europäischer - führt also nicht notwendigerweise zu einem digital selbstbestimmten Kunden bzw. Nutzer von IT.

Kontrolle von Betrieb und Wertschöpfungskette

Digitale Souveränität besteht aus zwei Komponenten: Leistungsfähigkeit und Kontrolle. Als Benchmark digitaler Leistungsfähigkeit dient die Public Cloud, denn sie bietet (im politischen und ökonomischen Normalfall) das breiteste Spektrum attraktiver IT-Services, ist global skalierbar und hat die geringsten technischen und wirtschaftlichen Einstiegshürden.

Bezogen auf Kontrolle gibt es die im vorangegangenen Artikel formulierten sieben europäischen Schwachstellen im Betrieb und in der Wertschöpfungskette. Die ersten vier betreffen alle Infrastrukturen, weitere drei nur die Public Cloud.

Wie nun können europäische Organisationen ein höheres Maß an Kontrolle gewinnen, ohne zugleich an Leistungsfähigkeit zu verlieren? Wie könnte ein Mittelweg Richtung mehr Souveränität aussehen?

Souveränität durch Kompetenz - vom Starkoch lernen

Bei der Beantwortung dieser Frage hilfreich erweist sich die Küchenanalogie aus dem zweiten Artikel dieses Dossiers. Jamie Oliver wird es immer schaffen, seiner Familie und seinen Freunden exzellente Gerichte zu kochen ohne dabei das Gros der Wertschöpfungskette zu kontrollieren. Der Schlüssel hierzu liegt in den folgenden Punkten:

  • Vorgedachte Szenarien: Der Koch überlegt sich im Vorhinein, für wie viele Gäste er wann welche Gerichte kochen möchte.
  • Fachliche Kompetenz: Der Koch kennt die für die Gerichte benötigten Zutaten und deren Mengen, er weiß, wann sie wo verfügbar sind und wie man sie im Zweifel ersetzen kann.
  • Eigene Herstellung: Zentrale Elemente seiner Wertschöpfung leistet der Koch selbst. Er kauft selbst ein, lagert einige Zutaten selbst ein, besitzt eine eigene Küche und kocht selbst.
  • Intelligente Steuerung: Der Koch baut die wenigsten Zutaten selbst an, aber er bestimmt das Menü im saisonalen Verlauf, ändert gegebenenfalls das Tagesgericht, ersetzt knappe Zutaten mit vorhandenen und steuert die Lagerhaltung und die Lieferanten.
  • Mehrere Kaufoptionen: Schließlich macht sich der Koch nicht abhängig von einem Lieferanten. Grundsätzlich werden von mehreren Großhändlern Zutaten bezogen, und es werden Beziehungen zu lokalen Bauern gepflegt.

cloudahead Grafik Souveränitätsmodell

Digitale Souveränität kann begonnen werden

Völlig autark ist auch Jamie Oliver nicht. Bricht die Nahrungsmittelversorgung in London aufgrund des Brexits vollständig zusammen, oder auch nur die Energieversorgung, so dass bestehende Tiefkühlketten unterbrochen werden, so bleibt auch dem Starkoch nur die auf Holzfeuer aufgewärmte, nord-irische Kartoffel.

Aber für die üblichen Szenarien (Winter, Sommer, schlechte Ernte, Weihnachten) sowie spezifisch vorgeplante Krisen (Stromausfall, Weltmeisterschaft) lässt sich vorausplanen - in der Küche wie in der IT.

cloudahead Grafik Das digital souveräne Unternehmen

Für die digitale Selbstbestimmung in Unternehmen lassen sich heute schon viele Szenarien abbilden:

  • Vorgedachte Szenarien: Eine positive Krise kann ein überraschendes, globales Kundenwachstum sein - wie etwa beim Überraschungserfolg Pokemon Go. Zudem gehören die üblichen saisonalen Schwankungen (Black Friday) und Risiken wie Flut, Feuer und Pandemien hierher. Aber auch starke Preiserhöhungen von Lieferanten oder Teile-Mangel von Zulieferern können dazuzählen.
  • Fachliche Kompetenz: Das Unternehmen sollte sich über die Zusammenhänge zwischen Krisen-Szenarien, Geschäftsmodell und IT-Wertschöpfung im Klaren sein. Hier ist fachliche Kompetenz in Bezug auf die Geschäftsprozesse, die Software-Architektur und -Entwicklung, den Betrieb und die IT-Infrastruktur gefragt.
  • Eigene Herstellung: Je nach Szenarienplanung müssen mehr oder weniger Leistungen selbst hergestellt werden. In vielen Privatunternehmen gehören hierzu häufig nicht mehr Aufbau und Betrieb einer eigenen IT-Infrastruktur, sondern im Wesentlichen Software-Architektur- und Entwicklung sowie Betrieb der Anwendung. Bei kritischen Infrastrukturen und Behörden wiederum erfordern andere Szenarien andere Entscheidungen.
  • Intelligente Steuerung: Zur Eigenleistung gehört in jedem Fall die intelligente Steuerung der externen Wertschöpfungskette. Dies beinhaltet die Abbildung der Szenarienplanung auf die externen Lieferanten von Software, Hardware und Cloud-Services sowie Personalplanung und vieles mehr.
  • Mehrere Kaufoptionen: Für relevante Komponenten in der eigenen IT-Wertschöpfung - ob Hardware, Software oder Services - sollten immer mehrere Lieferanten vorgehalten werden.
Slideshow - dieser Artikel zum durchklicken

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