Letzten Montag habe ich beschrieben, warum sich die Bundeswehr für eine Air-Gapped-Cloud von Google entschieden hat. Die Verantwortlichen haben: 1️⃣ Ihre Assets analysiert, 2️⃣ Risiken beschrieben,
3️⃣ Krisenszenarien durchgespielt und 4️⃣ Vorsorge getroffen. Am Ende stand: „Die mit den USA verbundenen Risiken sind akzeptabel. Mit etwas Multi-Cloud und Open Source wird das schon.“
Zwei Reaktionen, die vieles auf den Punkt bringen:
🗣️ „Das Argument ist aktuell stichhaltig.“ (Dr. Robin Pohl)
🗣️ „Aber wir müssen ja anfangen, Risiken abzubauen.“ (Benjamin Bertram)
Wir werden digital nicht souverän, wenn wir hoffen, dass einzelne Akteure wie die Bundeswehr das schon irgendwie richten.
Tatsächlich zeigt sich: Einzelne Akteure treffen (für sich) rationale Einzelentscheidungen. Und genau diese führen uns kollektiv in Abhängigkeit – weil digitale Souveränität eben nicht ihr Ziel ist.
Warum Google so häufig der Profiteur solcher Einzelentscheidungen ist, zeigen die folgenden Zahlen:
👉 Seit 2008 investierte Google etwa 30 Milliarden US$ in Google Cloud. Erst ~15 Jahre später begann das Tochterunternehmen, Gewinne abzuwerfen.
👉 Google warb in den 2010er Jahren tausende VertrieblerInnen von AWS und Microsoft ab und überschwemmte die deutschen Corporates mit hartnäckigen Menschen.
👉 Google investiert (ins Ungewisse hinein) Milliarden in KI-Hardware und attraktive, oft kostenlose KI-Services.
👉 Google priorisiert sehr engagiert die Themen User Experience (u.a. durch kostenlose End User Services) und Developer Experience (oft mit Hilfe der Open Source Community).
Die Bundeswehr hätte anders entscheiden können. Sie hätte die SAP-Plattform auch irgendwie auf heimische Clouds bringen können. Es wäre komplizierter geworden und hätte das Projekt verzögert. Aber es ist machbar.
Die Bundeswehr hatte auch ein bisschen FOMO
Nur: Die Bundeswehr wollte nicht. Googles Investitionen in Nutzerfreundlichkeit, Developer Experience, Bekanntheit unter EndnutzerInnen und freundliche VertrieblerInnen, sie haben sich gelohnt. Eine weitere, individuelle Entscheidung ist getroffen.
Weshalb erzähle ich das? Wenn wir wollen, dass sich das Kräfteverhältnis im IT-Markt zugunsten europäischer Anbieter verändert, dann reichen 24 Mio. € für die Sovereign Tech Agency und 13 Mio. € für den Sovereign Cloud Stack nicht. Wir brauchen systemische Impulse. Wie könnten sie aussehen?
💡 Zölle auf digitale Services, deren Einnahmen an die Sovereign Tech Agency und Startup-Funding gehen
💡 Mindestanteil autarker Clouds in kritischen Infrastrukturen
💡 Open Source Maintenance als gesellschaftliche Infrastruktur-Aufgabe mit entsprechendem Funding
💡 Exponentiell mehr Wagniskapital verbunden mit systematische Wetten auf neue Technologiewellen
Was meint ihr? Was würde wirklich helfen?